Grundrechte-Report 2013
Inhalt
Vorwort
der Herausgeber
Einleitung
Heiner
Busch: Betriebsunfall NSU? Falsche Interpretationen und übliche Lösungen
Die
Würde des Menschen ist unantastbar (Artikel 1 I)
Wolfgang
Kaleck: Ein bitterer Sieg
EGMR:
Menschenrechte von El Masri wurden verletzt
Marei
Pelzer: Menschenwürdiges Existenzminimum auch für Asylsuchende
Franziska
Drohsel: Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum
Bundesverfassungsgericht
soll erneut entscheiden
Jeder
hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Artikel 2 I)
Phillip
Hofmann: Die Sammelleidenschaft von Facebook: Kein schönes Hobby, ein
fragwürdiges Geschäft
Johann
Strauss: Brüder, zur Sonne, zu Facebook?
Sönke
Hilbrans: Kampf gegen Rechts gegen das Grundgesetz
Undemokratische
„Sicherheitsarchitektur“ verletzt Freiheitsrechte
Sven
Lüders: Behördeninternes Ordnungsmerkmal oder Personenkennzeichen?
Der
Bundesfinanzhof verwirft Musterklagen gegen die Steueridentifikationsnummer
Udo
Kauß: Beobachtung von Polizeieinsätzen erlaubt
Rolf
Gössner: Peinliche Ausforschung der Privatsphäre
„Scheinehe“-Ermittlungen
gegen binationale Ehepaare
Jeder
hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person
ins unverletzlich. (Artikel 2 II)
Heike
Kleffner: Kein Schutz vor Rassismus - Wie die Polizei weiter wegschaut bei
rassistischen Übergriffen
Angelika
Lex: Das Recht auf körperliche
Unversehrtheit gilt auch bei Begegnungen mit der Polizei
Jörg
Arnold: Drohnen töten deutsche Staatsangehörige in Pakistan
Mario
Bachmann / Ferdinand Goeck: Insel außer Kontrolle
Karlsruher
Rüffel für die Sicherungsverwahrung
Alle
Menschen sind vor dem Gesetz gleich (Artikel 3)
Wilhelm
Achelpöhler: Verbot der Straßenprostitution zur Migrationsabwehr
Sophie
Rotino: Racist Profiling bei der deutschen Bundespolizei
Stichproben
nach dem äußeren Erscheinungsbild
Sigrun
Krause: Ein Denkzettel reicht noch nicht
Eine
Initiative gegen strukturellen Rassismus wird kriminalisiert
Eberhard
Eichenhofer: Erziehungs- und Elterngeld für Migrantinnen und Migranten mit
humanitärem Aufenthaltsrecht
Ehe
und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung
(Artikel 6 I)
Heiko
Kauffmann/Kai Weber : Wie die niedersächsische Abschiebungspolitik Familien
zerstört
Anna
Lübbe: Ehegattennachzug und kein Ende
Ungeordneter
Rückzug in Sachen Sprachkenntnisse-Erfordernis
Alle
Deutschen haben das Recht, sich zu versammeln (Artikel 8 I, II)
Elke
Steven: Frankfurt ohne Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
Martin
Heiming: Frankfurter Kranz - Keine Teestunde
Exzessive
Platzverweise gegen Bockupy-Demonstranten
Falko
Behrens: Blockaden gegen Nazidemos dürfen geübt werden
Münsteraner Gericht stärkt Recht auf friedlichen
Widerstand
Peer
Stolle: „Nur zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes“
Videoüberwachung
bei Versammlungen
Das
Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet
(Artikel 9 III)
Udo
Mayer: Der marktkonforme Streik
Folgen
der EuGH-Rechtsprechung auf das Streikrecht
Till
Müller-Heidelberg: Kirchliches Sonderarbeitsrecht bröckelt
Volker
Eick: Gemeinnutz von Geheimdiensts Gnaden
Verfassungsschutz
bleibt Mitentscheider bei Förderfähigkeit von Vereinen
Ursula
Mende: ...so bleibst du ein „Verfassungsfeind“
Auf
die Einstellung kommt es an – VDJ in Thüringen auf dem Gesinnungsindex
Alle
Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu
wählen (Art. 12)
Wilhelm
Achelpöhler: Studienplätze nur für Auserwählte
Streit
um Numerus Clausus wieder beim Bundesverfassungsgericht
Politisch
Verfolgte genießen Asylrecht (Artikel 16a)
Günter
Burkhardt: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht
20
Jahre Änderung des Grundrechts auf Asyl
Matthias
Lehnert: Diskret homophob
Sexuelle
Orientierung als flüchtlingsrechtlicher Verfolgungsgrund
Hubert
Heinhold: Kinder in Not und ohne Zukunft
Unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge in Deutschland
Marei
Pelzer: Wahlkampf auf dem Rücken von Minderheiten
Sonder(asyl)verfahren
für Roma und populistische Gesetzgebung
Der
Rechtsweg steht offen (Artikel 19 IV)
Johanna
Wintermantel: Internationaler Gerichtshof: Staaten immun bei Verletzungen von
Menschenrechten
Die
Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Artikel 20 I)
Onur
Ocak/Andreas Fisahn: Bundesverfassungsgericht auf dem Weg in die
nationalegoistische Sackgasse – politische Demokratie in Gefahr
Die
vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden
(Art. 20 III)
Klaus
Hahnzog: Unglaubliche Bespitzelungsaktion des Bayerischen Verfassungsschutzes
Gabriele
Heinecke: Piraten-Recht?
Ulrich
Engelfried: Recht auf Krankheit /Zwang zur Gesundheit?
Zwangsbehandlungen
in der Psychiatrie
Peter
Kalmbach: Demokratischer Rechtsstaat und Militärjustiz?
Einführung
einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft rechtspolitisch bedenklich
Fanny
Michaela Reisin/Dirk Vogelskamp: Der Freiheit beraubt und verbrannt
Der
Verbrennungstod Oury Jallohs im Polizeigewahrsam zum zweiten Mal vor Gericht
Die
Bundesrepublik wirkt bei der Entwicklung der Europäischen Union mit (Artikel 23
I)
Frank
Schreiber: All about EFA? – Das Verwirrspiel um den Arbeitslosengeld
II-Anspruch von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern
Die
Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes
(Artikel 38 GG)
Christoph
Gusy: Wer kontrolliert wen?
Die
Abgeordneten den Verfassungsschutz oder der Verfassungsschutz die Abgeordneten?
Anhang
Bürger-
und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland (Auswahl)
Kurzportraits
der herausgebenden Organisationen
Autorinnen,
Autoren und Redaktion
Abkürzungen
Sachregister
Vorwort der Herausgeber
„Das
Treiben der Verfassungsschutzämter steht im Fokus der Öffentlichkeit: Auf dem
rechten Auge bestenfalls blind, auf dem linken Auge hyperaktiv bis wahnhaft“ –
so formulierten wir im Vorwort des letztjährigen Grundrechtereports. Diesen
Befund müssen wir für den aktuellen Berichtszeitraum 2012 erneut stellen – und
er hat sich sogar noch verschlimmert. Verkehrte Welt: Statt dass der
Verfassungsschutz – was seine Aufgabe sein soll – mörderische neonazistische
Umtriebe rechtzeitig aufklärt, versuchen mehrere Untersuchungsausschüsse
aufzuklären, was der Verfassungsschutz tatsächlich in Sachen NSU und Umfeld in
den letzten Jahren getrieben hat. Sie stehen dabei manches Mal fassungslos vor
den Schnipseln geschredderter `Tätigkeitsnachweise´. Fünf Präsidenten von
Sicherheitsbehörden sind im Laufe des Jahres – folgerichtig – zurückgetreten.
Diesen Weg konsequent bis ans Ende zu gehen und den Verfassungsschutz
abzuschaffen, diese Notwendigkeit wird von den politischen Stellen aber nicht
einmal als Frage diskutiert. Stattdessen wird, der übliche Reflex, weiter an
der „Sicherheitsarchitektur“ gebaut, die förmlich eine barocke Renaissance
erlebt. Dazu liefert der Einleitungsartikel „Betriebsunfall NSU?“, den wir für
den Berichtszeitraum 2012 wichtig, ja unumgänglich fanden, notwendige Fragen
und Antworten. Dazu ergänzend beleuchtet der Artikel „Kampf gegen Rechts gegen
das Grundgesetz“ einen vorgeblichen Wehrturm dieser Architektur: die neue
Rechtsextremismusdatei.
Es
kann nicht verwundern, dass der kurzatmige Umgang der höchsten politischen
Stellen mit dem Thema Rechtsextremismus den alltäglichen Rassismus gegen
Migranten auf der Straße, in Institutionen wie vor allem Ausländer- und
Polizeibehörden geradezu herausfordert und gleichzeitig absegnet. Zudem ist es
ja offenbar gar nicht Kurzatmigkeit, wenn man gleichzeitig feststellt, dass es
auch in anderen Bereichen eine gezielte, sogar gesetzlich vorgesehene
Diskriminierung von Migranten gibt. So hat das Bundesverfassungsgericht, nach
bald 20 Jahren endlich, im Jahre 2012 geurteilt, dass gekürzte Sozialleistungen
an Asylsuchende nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig sind,
weil der übliche Hartz-IV-Satz sowieso schon nur das Existenzminimum darstellt
– weniger als Minimum geht nicht.
Jedenfalls
müssen wir feststellen, dass, ganz ohne unser Zutun, dieses Thema in all seinen
Facetten mit insgesamt mehr als einem Dutzend Artikeln inhaltlicher Schwerpunkt
dieses Reports geworden ist – und damit auch die traurige Realität im Land
spiegelt. Das reicht von der Abschaffung des Asylrechts, auf dessen 20.
Todestag jetzt im Jahre 2013 wir schon einmal vorausgeblickt haben über die Sonderbehandlung
von asylsuchenden Roma bis zur gerichtlichen Aufarbeitung des Verbrennungstods
von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam.
Mit
dem letzten Artikel in diesem Report kehren wir zum Verfassungsschutz zurück
und stellen fest, dass er auf dem linken Auge nach wie vor „hyperaktiv“ ist und
überwacht, was das Zeugs hält, wobei er nicht einmal Halt macht vor
Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Das Tüpfelchen auf dem i, eine wahre
Posse, wenn es im Gesamtzusammenhang nicht gleichzeitig wieder ein verheerendes
Signal darstellte: Dem Verfassungsschutz sollte, per Gesetz, übertragen werden,
über die Gemeinnützigkeit von Vereinen zu entscheiden. Listet er einen solchen
Verein in seinen jährlichen Verfassungsschutzberichten als extremistisch,
sollte dieser gegenüber dem Finanzamt automatisch die Gemeinnützigkeit
verlieren, ohne Möglichkeit eines Rechtsmittels; überflüssig festzuhalten, dass
es da natürlich wieder hauptsächlich Vereine im linken Spektrum getroffen hätte
und dabei ausgerechnet solche, die sich mit ihrer antifaschistischen Arbeit
dem alltäglichen Rassismus entgegenstellen. Energischer Widerstand von mehr als
100 bürgerrechtlich bewegten Organisationen konnte dieses Gesetz in letzter
Minute verhindern.
Abschließend
ist eins klar: der Verfassungsschutz ist gründlich diskreditiert. Die
Verfassungsschutzberichte sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen; sie
gehören geschreddert. Der Grundrechtereport, der jährlich die
Verfassungswirklichkeit in unserem Land beleuchtet und gern als „alternativer
Verfassungsschutzbericht“ apostrophiert wird, hat ab sofort diese Bezeichnung
hinter sich gelassen. Es gibt keine Alternative mehr. Er ist der einzige.